Winter,Franz: Der Alexandersarkophag aus Sidon.Strassburg.1912.

 

Hamdy Beys Schöpfung, das Ottomanische Museum in Konstantinopel, hat in den Sarkophagen der Nekropole von Sidon seinen großen Mittelpunkt, und unter allem Bedeutenden, was diese Grabstätte barg und bei der 1887 erfolgten Aufdeckung wiedergab, ist der sog. Alexandersarkophag das kostbarste Stück. Ein Werk feinster attischer Marmorkunst auf der reifen Stufe der Entwicklung, in die das vollendete Schaffen des Praxiteles in noch unmittelbar frischer Tradition hineinwirkte, gibt er uns in seinem Bildwerk einen ganzen Zyklus von Darstellungen der Art, wie sie das Erleben einer großen Zeit hervorrief, als Alexanders Taten die Welt erfüllten, Schilderungen glänzender Waffentaten, Bilder von Kampf und Mord und von abenteuerlichen Jagdzügen in den persischen Landen. Aber von dem Gegenständlichen zieht an diesem Denkmal die Ausführung doch immer als das überwiegend Wirkende den Blick zu sich hin und wir meinen deutlich zu spüren, daß auch dem Künstler selbst in diesem Falle die Form mehr als der Inhalt, die Aufgabe der künstlerischen Dekoration mehr als die der Mitteilung bedeutet hat. Wir besitzen kein zweites Werk von ähnlich reicher Fülle der Schmuckausstattung. Der Gefahr, überladen zu wirken, beugt eine auf das feinste durchgeführte Abstufung aller einzelnen Teile, der ornamentalen Zierate und der Bildwerke, vor: eine Abstufung in der räumliche Gliederung, in der jedes so an seinem Platze steht, daß das Geringere sich unterordnet, das Bedeutende gehoben wird, und in den Größenverhältnissen wie auch in dem Maße der Ausführung, die, durch das Ganz von gleichmäßig genauester Sorgfalt und Exaktheit, in den Hauptteilen, den großen Friesen des Sarkophagkastens, an das Äußerste der Detaillierung und elegantesten Kleindurch-arbeitung herangeht. Die dekorative Pracht ist gesteigert durch eine ihrerseits sehr berechnet abgestufte Bemalung in leuchtend bunten Farben. Diese Bemalung, in dem Dunkel der Grabkammer, die den Sarkophag offenbar sehr bald nach seiner Herstellung aufgenommen hat, geschützt, ist zwar nicht an allen Stellen, auch nicht durchweg in ihrer ganzen ursprünglichen Frische und Stärke, aber doch zu großen Teilen ungewöhnlich gut erhalten. Hier ist uns die griechische Marmorpolychromie nicht wie sonst bruchstückweise, sondern in großem und vollständigem Zusammenhang überliefert, und zwar auf einem Höhepunkte ihrer Ausbildung, dazu in einem Werke von in ihrer Art vollendeter meisterhafter Arbeit.

 

            Für den Wert, den der Sarkophag hierdurch gewinnt, hat niemand empfänglicher sein können als Hamdy Bey mit seinem in eigener Ausübung der Malerei ausgebildeten künstlerischen Empfinden. So war denn auch der Erhaltung der Farben all sein Bemühen gewidmet. Dazu trug er Sorge, eine farbige, aquarellierte Aufnahme herstellen zu lassen, um die Bemalung in graphischem Bilde festzuhalten. Aber das unter schwierigen Umständen und mit unvollkommenen Mitteln damals für ihn Erreichbare ließ eine befriedigende Lösung der Aufgabe nicht zustande kommen. Man beschränkte sich darauf, in der gleich nach der Auffindung ins Werk gesetzten, von Hamdy gemeinsam mit Th. Reinach ausgeführten großen Publikation Une nécropole royale à Sidon, Paris 1892-1896 den photographischen Hauptabbildungen kleine, mehr skizzenhaft gehaltene farbige Reproduktionen beizugeben in einem Maßstab, der nur eine ungefähre, nur andeutende Wiedergabe der Art und Zusammenstellung der Farbentöne, keineswegs aber eine genauere Wiedergabe der Details und Besonderheiten gestattete. Später sind in neueren größeren Aufnahmen nur Proben der Bemalung veröffentlicht worden (M. Collignon, Histoire de la sculpture greque, Taf. VIII; Fr. Winter, Das Alexandermosaik aus Pompeji, Taf. II, III). Dem wissenschaftlichen Bedürfnis ist hiermit aber nicht genügt. Die Erfahrung lehrt, daß die antike Marmorbemalung, dem Lichte wieder ausgesetzt, einem allmählichen Zersetzungsprozesse unterliegt, der wohl aufgehalten, aber nicht auf die Dauer abgewendet werden kann. Auch der Sarkophag hat trotz aller Vorsorge, mit der er durch ein Glasgehäuse und durch Vorhänge gegen den Einfluß des Lichtes geschützt worden ist, in den fünfundzwanzig Jahren, die er wieder über der Erde ist, an Frische und Deutlichkeit der Farben bereits eingebüßt, und mit der Zeit wird die unschätzbare Überlieferung griechischer Malerei, die mit ihm zurückgewonnen ist, wieder völlig verloren gehen. Sie für länger wenigstens unserer Kenntnis zu retten, gibt es nur das Mittel einer bis ins einzelne genauen und Vollständigen Abschrift. Eine solche legen wir in dem hier zur Veröffentlichung gelangenden Tafelbande vor, mit dem nicht eine Neuausgabe, sondern nur eine Ergänzung der Publikation von Hamdy Bey und Reinach beabsichtigt ist, eine Ergänzung in der Richtung, in der allein dieses große Werk unter den damals ungünstigsten Verhältnissen unvollständig geblieben ist.

 

            Der Unterstützung der Wissenschaftlichen Gesellschaft in Straßburg verdanke ich es, daß ich den Plan der Neuaufnahme des Sarkophags während eines vierwöchigen Aufenthalts in Konstantinopel im Herbst 1910 habe verwirklichen können. Ich bin nicht ohne Zagen an die verantwortliche und schwierige Aufgabe herangegangen und hätte mich wohl kaum dazu entschlossen, wenn mich nicht Aufforderungen von befreundeter Seite, namentlich auch ein wiederholtes Drängen von Th. Wiegand ermutigt hätten, und wenn ich nicht durch die von dem jetzigen Direktor des Konstantinopler Museums, S. Exzellenz Halil Bey, geäußerte lebhafte Zustimmung von vornherein des Vertrauens und der Unterstützung seitens dieser wichtigsten Stelle sicher gewesen wäre. Ohne die weitgehendste Hilfe der Museumsverwaltung wäre die Arbeit in einer den berechtigten Anforderungen entsprechenden Weise nicht ausführbar gewesen. Durch Fortnahme des Glasgehäuses, das für die ganze Dauer der Arbeit von dem Sarkophage entfernt blieb, wurde mir die genaueste Untersuchung der Farbreste ermöglicht, deren Aufzeichnung unter beständiger Anwendung der Lupe geschehen mußte. Ich habe aber für mehr als für jede Erleichterung der Arbeit zu danken. Halil Bey und Edhem Bey haben durch ihren kundigen Rat, der mir namentlich beim Bestimmen und Hervorbringen der Farbtöne und beim Ermitteln der vielfach schwer erkennbaren feineren Details des Erhaltenen zugute kam, selbsttätigen Anteil an der Ausführung genommen und mit durch die Nachprüfung vor dem Original, auf die ich mich für die Richtigkeit der Aufnahme berufen darf, den wertvollsten Dienst erwiesen.

 

            Für die Anfertigung der Vorlagen und ihre Reproduktion durch den Druck ist dasselbe Verfahren angewendet, nach dem die vor drei Jahren von mir veröffentlichte Tafel des Alexandermosaiks hergestellt worden ist. Auch hier der farbigen Wiedergabe photographische Aufnahmen zu Grunde zu legen, empfahl sich, abgesehen von den übrigen ohne weiteres einleuchtenden Vorteilen aus dem Grunde, weil so eine gleichmäßige Unterlage von indifferentem, dem Marmorweiß der plastischen Arbeit am meisten entsprechendem Ton gewonnen wurde. Hierbei kam alles darauf an, ganz lichte klare Bilder ohne starke Schattenflächen und mit möglichst wenig stumpfen grauen Mitteltönen zu erzielen. Vielfache, immer wiederholte Versuche waren nötig, bis es der unermüdlichen Geduld und Geschicklichkeit des Photographen der Konstantinopler Firma Sebah und Joailler mit Anwendung orthochromatischer lichthoffreier Platten von Hauff in Leipzig gelang, dieser Forderung gerecht zu werden.  Von den Platten wurden Abzüge auf Bromsilberpapier genommen und auf diese habe ich selbst die Farben in Aquarell aufgetragen. Die Vervielfältigung der Vorlagen ist sodann mit aller Sorgfalt von der Hofkunstanstalt Albert Frisch in Berlin in Farbenfaksimiledruck ausgeführt worden.

 

            Die Bemalung des Sarkophags ist nicht so erhalten, daß überall die ursprüngliche deckende Farbenschicht noch vorhanden wäre. Sie ist als solche vielmehr nur an einigen Teilen, vielfach nur in ganz winzigen Flecken noch sichtbar. Dagegen ist, wo sie einst in breiter Masse auflag, fast durchweg ein farbiger Ton in hellerer Nuance zurückgeblieben. So war der Erhaltungszustand im wesentlichen schon bei der Auffindung des Sarkophags. Er hat sich im Verlaufe der Jahre insofern verändert, als diese Töne in Stärke etwas zurückgegangen, an manchen Stellen, wie es scheint, auch schon fast ganz verschwunden sind. Eine bereits 1892 von mir hergestellte Farbenaufnahme, von der zwei Proben auf den im Alexandermosaik veröffentlichten Tafeln II und III mitgeteilt sind, zeigt die Töne zumeist voller, als sie heute noch sind. Diese früheren Blätter sind mir für die jetzige Arbeit eine gute Hilfe gewesen; da sie aber etwas eilig und ohne genaueres, damals – weil der Sarkophag unter Glas war – nicht mögliches Eingehen in die Einzelheiten hergestellt sind, habe ich von ihrer direkten Benutzung abgesehen und mich durchaus an den heutigen Zustand gehalten. Die Abbildungen geben das Original auf die Hälfte verkleinert wieder. In dieser Größe waren alle Einzelheiten noch reproduzierbar. Um aber von der Ausführung der Malerei in den ganz feinen Details namentlich an den Augen der Figuren eine noch deutlichere Vorstellung zu geben, sind einige Köpfe in wirklicher Größe Taf. 17 abgebildet. In demselben Maßstab ist außerdem auf Taf.18 die obere Hälfte des Persers aus der Kampfdarstellung Taf. 7 wiederholt der Bilddekoration des Schildes wegen, die die genaueste Wiedergabe in Originalgröße zu verdienen schien.

 

            Der Sarkophag ist aus zwei großen Blöcken pentelischen Marmors gearbeitet. Aus dem einen Block ist der Sarkophagkasten, aus dem anderen der dachförmig gebildete Deckel hergestellt. Reinach S. 273 bezeichnet den Marmor als „fin et compacte, d’une tonalité presque ivorine, malheureusement traversé çà et là de quelques veinules noirâtres“. Durch diese Adern wird die Reinheit der Oberfläche nur wenig beeinträchtigt, ihr Weiß bildet für die aufgetragenen Farben eine klare, reine, sehr weiche Unterlage und spricht für den koloristischen Eindruck der Bemalung sehr wesentlich  mit. Daß diese enkaustisch ausgeführt worden ist, darf nach dem, was die freilich sehr beschränkte Überlieferung zuverlässig über die griechische Marmorpolychromie erschließen läßt, angenommen werden.

 

            Vor allen an dem Sarkophage zur Anwendung gebrachten Farben sind hinlängliche Reste noch vorhanden. Die Hauptfarben sind Violett, Rot und Gelb, dazu tritt in beschränktem Maße Blau. Grün fehlt völlig. Weiß, als aufgesetzte Farbe, und Schwarz sind nicht als ganze Töne, sondern nur zur Ausführung kleiner Details in geringstem Umfange verwendet. Das Gelb und Blau kommen nur in je einer Farbe vor, Gelb als lichter Ocker, Blau als helles, dem Ton des Kobalt sehr nahe kommendes, nur um eine kleine Nuance wärmeres Kupferblau, als solches dadurch erkennbar, daß es an freilich nur einer Stelle, am Schild des Persers Taf. 15 und 16, durch Oxydieren ins Grünliche umgeschlagen ist. Dagegen sind das Rot und das Violett in mehreren Farben und Tönen vertreten. Neben einem leuchtenden Rot im Ton zwischen Karmin und Zinnober steht ein gedeckteres dunkleres im Purpurton, ferner ein dem gebrannten Ocker ähnliches Rotbraun und ein rötliches Goldbraun, das in sehr flüssigem Auftrag u. a. namentlich für die Bemalung des Haares gebraucht ist. Die Violettskala bewegt sich ebenfalls in vier Tönen, die von reinem Blauviolett durch ein zweifach abgestuftes Rotviolett ins Braunviolett von der Art, wie es der Mantel des Reiters auf Taf. 11 zeigt, übergehen. Um diese violetten Töne wiederzugeben, mußte bei der Aufnahme einer Mischung wesentlich von Karmin und Kobaltblau, aus der Blauviolett sich gewinnen ließ, in immer größeren Mengen gebrannter Ocker und Neutraltinte zugesetzt werden; in dem Braunviolett des Mantels auf Taf. 11 sind diese beiden letzteren Farben fast ganz ausschließlich erhalten. Diese Töne wird auch der Maler des Sarkophags zum Teil durch Mischung hervorgebracht, die übrigen dagegen, auch die verschiedenen des Rot, wird er größtenteils in fertigen Farbsubstanzen auf seiner Palette gehabt und so, wie sie waren, ohne Mischung verwendet haben. Die Anwendung der verschieden Sorten des Rot gibt eine gute Illustration zu der literarischen Überlieferung über die im vierten Jahrhundert gebrauchten, zum Teil damals erst von einzelnen Malern neu entdeckten oder eingeführten Farben, durch die ganz vorwiegend gerade die Rotskala bereichert worden ist (Theophrast (…) 343, 39; 348, 3. Platon Kratylos 424 D. Polit. 420 c. Plinius, nat. hist. XXXIII 117; XXXV 38, 50. Vgl. auch Blümer, Technologie und Terminologie IV S. 396ff. Schultz, Das Farbempfindungssystem der Hellenen S. 60ff.).

 

            Auch von Auflichtung und Zwischentönen durch Zusatz von Weiß ist in größerem Umfang kaum irgendwo Gebrauch gemacht. Wenn heute die meisten farbigen Flächen wie aufgelichtet erscheinen, so liegt das, wie schon bemerkt, daran, daß die deckende Farbe selbst größtenteils verschwunden ist und nur diesen lichteren Ton zurückgelassen hat. Anders verhält es sich dagegen mit dem ganz leichten, teils ins Gelbliche, teils ins Rötliche spielenden Überzug, den man an zahlreichen Stellen auf den nackten Teilen der Figuren bemerkt. Er rührt, soweit er nicht durch Patinierung des Marmors entstanden ist, höchst wahrscheinlich von einer ganz feinen lasurartigen Behandlung dieser Teile her, in der man allerdings nur aus späterer Überlieferung für die Marmorbemalung bezeugte Ganosis wohl mit Recht erkennt. An manchen Stellen erscheint dieser Überzug soweit farbig, daß er dem wirklichen Fleischton nahekommt. Doch darf man nach dem Gesamteindruck der koloristischen Ausführung wohl annehmen, daß nicht eine eigentliche Färbung, sondern mehr nur ein ausgleichendes Zusammenstimmen des Weiß der Marmoroberfläche mit den bunten Farben der bemalten Teile durch diesen Überzug beabsichtigt gewesen ist.

 

            Durch den Überzug wurde zugleich auch ein leichtes Absetzen der nackten Körperteile der Figuren gegen den unbemalt gebliebenen Reliefgrund erreicht. Außer ihm sind alle architektonischen Gliederungen und alle Zierleisten bis allein auf den Weinrankenfries des Deckels im weißen Marmor stehen gelassen. Reinach S. 278 nimmt freilich eine über den ganzen Sarkophag ausgedehnte ehemalige Bemalung an. Es ist aber nicht der geringste Farbrest an allen diesen Teilen auffindbar gewesen, und es wäre nicht zu verstehen, wie gerade hier überall die Bemalung hätte verschwinden sollen, während sie doch in den Bildflächen durchgehends und auch an dem Weinrankenfries stellenweise reichlich und im übrigen allenthalben wenigstens in deutlichen Spuren zurückgeblieben ist. Aus dem Tatbestand des Erhaltens wird vielmehr die Ausdehnung der angewendeten Bemalung bestimmt zu erschließen sein. Demnach war alles figürlich Gebildete einschließlich der Akroterien und Antefixe, wie außerdem der Weinrankenfries koloriert und hob sich wie heute so ursprünglich in seinem farbigen Schmuck aus der weißen Umgebung des Sarkophagkörpers ab, an dem die ornamentierten Streifen, plastisch ausgeführt, mit ihrem in den Reliefschatten spielenden Schwarzweiß den bunten Teilen einen neutral abgestimmten, höchst wirkungsvollen Rahmen geben. Die gleiche Beschränkung der farbigen Ausstattung ist an den drei kleineren, nur ornamental verzierten Sarkophagen durchgeführt, die mit dem Alexandersarkophag zusammen in derselben Grabkammer standen und von diesem nur durch die größere Einfachheit der Arbeit verschieden, augenscheinlich aus dem gleichen Atelier hervorgegangen sind (Hamdy Bey et Reinach Taf. XL S.273). Der am besten erhaltene von ihnen hat farbigen Schmuck nur an dem hier als Schlußvignette wiedergegebenen Weinrankenfries; in der Malerei war hier freilich auch der Eierstab an den schmalen Leisten über dem Zahnschnitt und unter dem Giebel ausgeführt, aber allem Anschein nach nicht bunt, sondern in grauschwarz, und so nur als Ersatz für hier gesparte plastische Arbeit, wie sie für die Eierstableisten unter dem Zahnschnitt und im oberen Giebelrahmen angewendet ist. Es ist eine fein berechnete Abstufung von Bild und Rahmen, die zwar in der älteren polychromen Behandlung, soviel wir sehen, nicht üblich war, für die es aber aus der dem Alexandersarkophag naheliegenden Zeit nicht an einem Beispiel fehlt: an dem Alexandermosaik der Casa del Fauno in Pompeji kehrt sie wieder. Auch hier finden wir um das Bild, dessen farbige Gleichstellung gleichfalls auf hellem Grund steht, einen Schwarzweiß gehaltenen Rahmen gelegt,  der dazu mit seinem Zahnschnittmuster ein architektonisch plastisches Ziermotiv in Mosaik nachahmt.

 

            Das Kolorit des bemalten Bildwerkes ist im ganzen auf lichte Wirkung bestimmt. Der weiße Grund, die kaum farbig wirkenden nackten Körperteile der menschlichen Figuren, die mit wenigen Ausnahmen ebenso behandelten Körper der Tiere – von den zahlreichen Pferde ist nur das von Alexanders Gegner (Taf. 1) braun gefärbt und leichte Reste einer ähnlichen bräunlichen Tönung sieht man mehr oder weniger ausgedehnt auf den Körpern des Löwen, des Panthers, des Hirsches und der Hunde – verbreiten, die bunten Farbenmassen überall unterbrechend, über das Ganze eine sehr bestimmt sich durchsetzende Helligkeit. Die Farben selbst liegen ohne besondere Grundierung auf der Marmorfläche auf. Sie sind in ganzen Tönen gleichmäßig aufgetragen und nebeneinandergesetzt. Die Schatten sind nicht durch das Aufdecken dunklerer Farbentöne hervorgebracht, sondern werden lediglich durch die Plastik der Relieferhebungen bewirkt. Nur in vereinzelten Fällen und zu ganz bestimmtem Zweck ist der Maler über die Grenzen eines einfachen Kolorierens hinausgegangen und hier zeigt er, daß er mit bereits weit ausgebildeten Mitteln einer eigentlich malerischen Behandlungsweise bekannt war. An einigen Schilden (Taf. 2, 5, 7, 8) sind, um die Rundung der gewölbten Fläche und ihren Metallglanz zu deutlicherem Ausdruck zu bringen, mit gelblichen Deckweiß höchste Lichter aufgesetzt und stellenweise ist zu deren Verstärkung eine Andeutung von Schattierung in dunklen Strichlinien dagegen gestellt. Mehr als das aber bedeutet, daß an den Augen der menschlichen Figuren, die teils mit rotbrauner, teils mit blauer Iris, mit übrigen in der üblichen Weise mit dunkler Pupille und dunkler Umränderung des Augapfels dargestellt sind, das Glanzlicht wiedergegeben ist, vermittelst eines in Weiß aufgesetzten, neben der Pupille über die Iris hingeführten Punktes oder Striches. Er ist nicht überall vorhanden, aber mehrfach, am deutlichsten an den blauen Augen der auf Taf. 17 unten in Originalgröße abgebildeten Perserköpfe noch erkennbar.

 

            In der Wahl der Farbentöne war der Künstler keineswegs völlig frei und sie ist durchaus nicht allein, nicht einmal vorwiegend durch die Absicht einer der Wirklichkeit der farbigen Erscheinung ganz entsprechenden Wiedergabe bestimmt worden. Die besonderen Bedingungen der enkaustischen Technik zogen der Verwendung der Farben gewisse Grenzen, die in dieser Technik durch lange Übung ausgebildete Tradition wirkte mit. Vor allem aber war der dekorative Charakter des ganzen Werkes auch für die koloristische Behandlung entscheidend. Der Sarkophag ist als Prunkstück gearbeitet, und mit der Fülle und Pracht der ornamentalen Ausstattung, mit der aufs äußerste getriebenen Feinheit und Eleganz der Marmorarbeit mußte der letzte und höchste Schmuck, der ihm durch die farbige Bemalung gegeben wurde, in Ton und Art harmonisch zusammengehen. Dem konnte nur ein in leuchtendem und reinstem Glanz wirkendes Buntkolorit entsprechen. Die Farben der natürlichen Wirklichkeit sind dabei nicht unberücksichtigt gelassen. Der Künstler ist ihnen insoweit gefolgt, als er die den Lokaltönen am meisten entsprechenden unter den ihm verfügbaren Farben zur Anwendung brachte. Nur unter Berücksichtigung dieser verschiedenartigen Bedingungen ist es möglich, das Kolorit richtig zu verstehen und der Gefahr einer unzutreffenden Einschätzung zu entgehen.

 

            Sehr auffällig muß erschienen, daß das Haar bei allen Figuren der Griechen und Perser unterschiedslos rotbraun gefärbt ist. Zu der Wahl dieses Tones bestimmte den Künstler die Tradition, die wir bis in die Frühzeit der Marmorpolychromie zurückverfolgen und die so fest und dauernd hat in Geltung bleiben können, weil die Anwendung von Schwarz in größeren Flecken und Flächen für die Zwecke dieser Art Malerei, wie es scheint, als schlechthin ungeeignet empfunden worden ist. Von ihrem Beginne an hat die Marmorpolychromie für den dunklen Ton das Blau and die Stelle von Schwarz gesetzt und sie ist in ihren ersten Versuchen konsequent und naiv genug gewesen, das Haar blau darzustellen. Davon ist sie bald abgekommen und hat das zuerst au die Frauendarstellung beschränkte Rot allgemein und in einer nur selten durchbrochenen Regelmäßigkeit als Haarfarbe verwendet. Die aus den Dichtern bekannte Schätzung des blonden Haares mag hierbei mitgewirkt haben, kann aber das dauernde, fast ausschließliche Beibehalten des rötlichen Tons allein nicht erklären und den in dieser allgemeinen Anwendung enthaltenen Widerspruch gegen die bei den Griechen vorherrschende gewöhnliche Erscheinung in der Natur nicht abschwächen. Dasselbe gilt von der Darstellung der Augen. Die rotbraune Färbung stand durch die Tradition fest. Dazu ist die Darstellung blauer Augen wenigstens für das vierte Jahrhundert durch tanagraeische Terrakotten bezeugt (Kekule, Griech. Tonfiguren aus Tanagra S. 21; s. Schultz, Das Farbenempfindungssystem der Hellenen S. 23 ff. 67). Wenn der Künstler des Sarkophags beide Arten der Färbung nebeneinander verwendet hat, so ist er vorbildlicher Kunstüberlieferung gefolgt, und gewiß liegen keine anderen als durch die Tradition geleitete koloristische Absichten dem zu Grunde, daß auch die Perser wie  mit rotbraunen so mit blauen Augen dargestellt sind (Taf. 17 und 18) und daß die gleiche farbige Behandlung wie ebenso die Wiedergabe der Wimpern auf die Augen der Tiere übertragen ist. Spuren blauer Farbe waren in der ersten Zeit nach der Auffindung des Sarkophags an den Augen des Panthers Taf. 16 deutlich erhalten. Die Wimpern der Tieraugen, am besten an dem Pferdekopfe Taf. 15 erhalten, sind nur am Oberlide ausgeführt; wir erinnern uns dabei des Tadels, den sich ein älterer Maler, Mikon, wegen der Darstellung von Wimpern auch am Unterlide des Pferdeauges zugezogen hatte (Pollux II 69, Overbeck, Schriftquellen n. 1092).

 

            Einen besonders reizvollen Schmuck hat der Sarkophag in der violett und gelb getönten Weinranke des Deckelfrieses, von der nur das in der Bemalung annähernd vollständig erhaltene Stück der einen Schmalseite Taf. 5 und 6. farbig reproduziert ist. In den Abbildungen der anderen Schmalseite Taf. 13 und 14 ist auf die farbige Wiedergabe der hier nur in geringeren Resten erhaltenen Tönung der Ranke verzichtet. Die Dekoration ist in zwei Komplementärfarben ausgeführt. Ein gleiches weist die uns bekannte Malerei der früheren Zeit nicht auf, denn die von Wickhoff, Wiener Genesis S. 49 angeführte Analogie der Zusammensetzung von Komplementärfarben, Rot und Grün, an den archaischen Marmorfiguren der athenischen Akropolis beruht auf einem Irrtum; hier ist das Grün, abgesehen von einer ganz beschränkten Verwendung für kleinere ornamentale Details, nicht ursprünglich, sondern erst durch Oxydieren aus Kupferblau entstanden. Die Weinranke bleibt das bis jetzt bekannte erste Beispiel für ein Farbenbild in der Zusammensetzung aus zwei Tönen, von denen der eine den anderen ‚fordert’. Darin spricht sich ein fein ausgebildetes Farbgefühl aus. Aber ist wirklich, wie Wickhoff meint, die Nebeneinanderstellung der physiologischen Farben lediglich aus diesem feinen Gefühl, aus der hoch entwickelten Farbempfindlichkeit des Malers hervorgegangen und gibt sich in diesem Stück Malerei ganz im Sinne Wickhoffs kund, daß hier, im Gegensatz zu jeder Art naturalistischer Farbendarstellung, jede Wiedergabe von Lokaltönen noch ganz die Tendenz einer konventionellen Bunt- und Schönfarbigkeit herrschend gewesen ist? Man könnte die Frage vielleicht bejahen, wenn es sich um eine andere Darstellung als gerade die einer Weinranke handelte. Ein Blick auf die kleineren Sarkophage gibt für die Farbenwahl die Erklärung. Hier ist dasselbe Motiv im Fries verwendet, aber die Zeichnung ist weniger stilisiert, die Ranke, mit Trauben zwischen den locker gestellten blättern, in Form und Bewegung natürlicher wiedergegeben, und dem entspricht auch die Bemalung, die an dem S. 18 als Schlußvignette abgebildeten Stücke in reichlicheren Resten erhalten ist: das Ganze hebt sich in natürlicher Färbung – der Stamm braun, die Blätter teils gelb, teils bläulich oder grünlich grau in etwas undeutlich gewordenem Ton, die Trauben violett – von dem unbemalten weißen Grund ab, ist also in Lokalfarben ausgeführt. An dem großen Sarkophage ist das Wirklichkeitsbild der Ranke zu einem stilisierten Ornamentgebilde ungeschaffen in einer fast feierlich wirkenden Komposition, die ihren Reiz in der wohlabgewogenen Strenge der Zeichnung und in der gewählten Beschränkung der Formenelemente hat: der Stamm ist in geometrischer Zickzackbewegung über die Fläche hingeführt und die so gebildeten Dreiecke sind unter Weglassung der Trauben mit regelmäßig angeordnetem Blattwerk gefüllt. Mit dieser Komposition ist die Bemalung zu feinstem Gleichklang gestimmt, auch sie stilisiert und in berechneter Einfachheit auf zwei Farben beschränkt; wie die Ranke selbst durch die Stilisierung zu einem Gebilde geworden ist, in dem die verschiedenen einzelnen Teile nicht mehr für sich Geltung haben, sondern das Ganze in eine ornamentale Einheit zusammengefaßt ist, so hat sie auch eine einheitliche Färbung in Gelb erhalten, und dem ist die ebenso einheitliche Tönung des Grundes in Violett entgegengestellt. Von der Natur entfernt sich dieses Farbenbild ebenso weit wie die formale Wiedergabe, es bleibt ihr aber anderseits wieder im gleichen Sinne und ähnlichem Maße treu wie diese. Denn sichtlich sind die beiden Hauptfarben des natürlichen Bildes in der Malerei enthalten und für die Wahl und Zusammensetzung der Töne entscheidend gewesen: für die Ranke in ihrem Ganzen ist der Ton der herbstlich gefärbten gelben Blätter übernommen und das Violett des Grundes hält die Erinnerung an den Ton der reifen Trauben fest. Die Wiedergabe der Lokaltöne also liegt hier zu Grunde. Der Vorgang, den wir beobachten, der ein Stück künstlerischen Schaffens bis in die kleinen und feinsten Einzelzüge hinein vollständig vor unseren Augen aufdeckt, ist einzig in seiner Art.  Für das Wesen aber der Kunst dieser Zeit und Richtung, aus der der Sarkophag hervorgegangen ist, könnte nichts bezeichnender sein.

 

            In dem figürlichen Bildwerk sind die Töne auf eine möglichst farbenfreudige Wirkung hin zusammengestellt. Humann hat den Eindruck mit dem eines orientalischen Teppichs verglichen. Gelb und rot in seinen verschiedenen Nüancen ins Braun und violett hinein dominieren, aber man kann nicht sagen, daß das Kolorit auf diese Töne der auf einen von ihnen abgestimmt wäre. Es ist vielmehr das Charakteristische dieses Kolorits, daß die verschiedenen Töne selbständig und voll sich gegen- und nebeneinander zur Geltung bringen, sich gegenseitig heben und steigern. Zunächst hat man den Eindruck, daß sie lediglich des farbigen Effekts wegen aus freier Wahl zusammengestellt sind, und in der Hauptsache hat sich der Künstler auch ohne Zweifel von rein dekorativen Absichten leiten lassen. Aber so gut wie bei der Weinranke, und hier, wo es sich um die Darstellung lebendiger Vorgänge handelte, noch mehr, ist ihm bei der Wahl der Töne natürlich die farbige Erscheinung der Wirklichkeit vor Augen gewesen. Nirgends jedoch kam es ihm darauf an, diese in der Wiedergabe wirklich zu erreichen. Es war ihm genug, eine Andeutung, eine allgemeine Angleichung an die Wirklichkeit zu geben, und für vieles konnte er sich dabei konventioneller Ausdrucksmittel bedienen. So ist die unter diesem Gesichtspunkt schon besprochene Tönung des Haares und der Augen zu verstehen, so auch die farbige Wiedergabe des Metalls der Waffen in Blau und Gelb, je nachdem Eisen oder Silber und Bronze oder Gold gemeint war. Der konventionelle Charakter dieser nur andeutend erläuternden Bemalung der Waffen muß ursprünglich recht auffällig gewesen sein, als die zum Teil in wirklichem Metall angesetzt gewesenen Lanzen, Schwerter, Äxte und Bogen an ihren Stellen, wo heute nur die Befestigungslöcher im Marmor von ihnen zurückgeblieben sind, noch vorhanden waren; sie wären aus Silber gearbeitet zu denken, wenn ein derartiges Stück, das sich um Museum unter den losen, aus der Grabkammer des Sarkophags herrührenden Fundstücke befindet, eine silberne Axt, wirklich zugehört; es läßt sich indessen in den Reliefs keiner Figur ausfindig machen, von der sie herrühren könnte.

 

            In der Bemalung der Gewänder konnte der Künstler den ganzen Reichtum seiner Palette ausbreiten. Die griechischen Gewänder, ähnlich wie wir sie in den der Zeit nach nahestehenden tanagraeischen Terrakotten gefärbt finden, einfarbig getönt, in Rot oder Violett, seltener in Gelb, die Mäntel mit einem andersfarbigen breiten Rande versehen, erscheinen einfach gegenüber den reichen vielgemusterten, mit bunten Rändern und Einsatzstreifen verzierten persischen Stoffen. Da in den vier großen Reliefbildern am Sarkophag fast doppelt so viel Perser als Griechen dargestellt sind, hat das Buntkolorit der persischen Gewänder mit den vielen Farbdetails der Ornamentierung das Übergewicht. Hier war für manches der Farbenton durch die Natur des dargestellten Objekts gegeben: das Pelzwerk an einigen der Persermäntel (Taf. 1, 7, 14, 15, 16) ist ebenso wie das große Tierfell, das dem makedonischen Führer (Taf. 4) als Pferdedecke dient, braun gemalt, mit lichtem Grunde und dunklen Zotteln oder Tupfen, und in noch tieferem Tone stehen dagegen die violettbraun gemalten Pranken an dem Fell der Pferdedecke. Anderseits läßt die gleichmäßige Wiederholung desselben Tones, wie wir sie in den durchgehend gelb gemalten Persermützen finden, daran denken, daß eine bezeichnende Eigentümlichkeit der persischen Tracht der Wirklichkeit entsprechend wiedergegeben ist. Das ist um so wahrscheinlicher, weil auch auf dem Alexandermosaik, dessen Darstellung in den sachlichen Einzelheiten viel genauer ist als die des Sarkophags, das Gelb an den Persermützen ebenso durchgehend wiederkehrt; es wird für diesen Teil der persischen Tracht so feststehend gebräuchlich gewesen sein, wie es heutzutage das Rot für den türkischen Fez ist. Auch darin stimmt, wie außerdem in den ähnlichen Ziermustern, die Wiedergabe der persischen Kleidung auf dem Mosaik und auf dem Sarkophag überein, daß die Grundfarbe der Rücke vorwiegend violett ist und daneben besonders ein stark wirkendes Rot sich zur Geltung bringt. Möglich, daß diese Töne, zusammen mit dem Gelb, auch in Wirklichkeit im persischen Kostüm vorgeherrscht haben. Abgesehen aber von der Wiedergabe der Mützen wird mehr wird mehr als eine sehr allgemeine, ungefähr entsprechende Nachbildung der farbigen Erscheinung der Persertracht in den Sarkophagreliefs nicht gesucht werden können, und gewiß geht die Darstellung in der Buntheit weit über das Wirklichkeitsbild hinaus, wenn auch manches, wie die andersfarbige Tönung des Futters an Mänteln und Mützen (Taf. 1, 7, 10, 12) gewiß wieder Tatsächlichem, aber wohl nicht gerade nur der persischen Tracht Eigentümlichem entsprechen wird.

 

            Geht man das Ganze auf die Verteilung der Farbenakzente hin durch, so kann man in dem Kolorit eine bestimmte kompositionelle Gliederung nicht verkennen, und zwar eine Gliederung, die der des Figurenaufbaues der einzelnen Reliefs durchaus entspricht. Der dekorativ tektonische Stil, in dem der Sarkophag in seiner Gesamtheit ausgeführt ist, erscheint auch in den Bildern festgehalten. Sie sind in den Rahmen komponiert. Sehr streng ist die Anordnung in den beiden Reliefs der Langseiten durchgeführt, mit Betonung der Mitte und gleichmäßiger Abstufung der Figuren nach der Mitte zu. In dem Bilde der Löwenjagd (Taf. 9-12) hält die Gruppe der beiden Perser mit dem Löwen die Mitte, erweitert durch die zwei Griechen, die von rechts und links zu Pferde, jeder begleitet von einem Hunde, heransprengen. Auf den Flügeln folgt beiderseits je ein nackter Grieche, nach der Mitte hin bewegt, und am Ende je ein voll und reich bekleideter Perser in entgegengesetzter Bewegung des Körpers; dem rechts dargestellten Hirsch, der, als ausgesetztes Locktier, einer ausführlichen Schilderung der Löwenjagd nicht fehlen konnte, ist links in dem Hunde ein, soweit es anging, entsprechendes Gegenstück gegeben. Dieser Anordnung der Figuren ist das Kolorit angepaßt. In der Mitte dominieren die violetten und gelben Töne, in breiten Flächen das Feld beherrschend, begleitend und unterstützt durch einzelne, in sehr berechnet gleichmäßiger Verteilung angeordnete Flecken Rot. Nach den Seiten hin wird die Farbigkeit jedesmal zunächst durch den glänzend hellen Körper des nackten Jünglings unterbrochen, um am Ende, in den beiden Figuren der möglichst bunt gekleideten Perser wieder aufgenommen, in um so lebhafterem Klange abzuschließen, in dem nun auch das sonst in diesem Bilde fast zurückgehaltene Blau zu vollem Rechte kommt.

 

            Das Schlachtenbild der anderen Langseite (Taf. 1-4) mit dem berittenen makedonischen Feldherrn in der Mitte, von dem aus sich der Kampf in einzelnen Gruppen nach rechts und links hin entwickelt und an den Flügeln in den beiden Reiterpaaren endigt, ist in derselben Weise komponiert, nur mit dem Unterschiede, daß die Mitte nicht durch eine auch der Bedeutung nach überwiegende und in sich enger zusammengeschlossene Gruppe gebildet ist, die Hauptfiguren mit ihren Gegnern vielmehr an die Ende gestellt sind, links Alexander selbst, ihm gegenüber der alte, durch den Siegerkranz am Helm besonders ausgezeichnete Feldherr, in dem Parmenion vermutet wird. In dem Maße, wie in diesem Bilde die Figuren bewegter und in dichterer Masse die Fläche füllen, ist auch das Kolorit voller und lebhafter. Namentlich im mittleren Teil hat es sehr reichen Klang, mit dem vielen leuchtendem Rot, dem das Gelb lebhaft akkompagniert, und dem feinen Mitschwingen des wieder sehr berechnet verteilten Blau, während in den Flügeln, vor allem in den beiden bedeutenden Endfiguren, durch das Vorherrschen des Violett und Gelb der Ton zu geschlossener Wirkung gebracht ist.

 

            Die Reliefs der Schmalseiten treten mit den darüber befindlichen Giebelbildern zu einer Einheit zusammen, die auch im Kolorit gewahrt ist. Im Giebel Taf. 5 und 6 ist das Ganze wesentlich auf Rot und Gelb abgestimmt, mit ganz wenig zwischengesetztem Blau, das jetzt bis auf die geringsten Reste am Gurt des Kriegers links von der Mitte völlig verschwunden, aber an den drei Helmen des mittelsten und der beiden liegenden Krieger an den Enden nach der Analogie der sonst für diese besondere Helmform angewendeten Bemalung bestimmt anzunehmen ist, an dem Helm der linken Eckfigur früher auch noch in einigen Spuren erhalten war. Das Blau war also in kleinen Flecken fast symmetrisch hingesetzt und ebenso sind die übrigen Töne möglichst gleichmäßig verteilt, im Einklang mit der Gliederung der Komposition, in der die Figuren einander entsprechend in dem Giebelrahmen aufgebaut sind; nicht ohne Absicht ist das reine leuchtende Rot auf die Mittelgruppe aufgespart, hier aber, am Chiton des Mörders nur in schmalen Streifen, am Gewand des Gemordeten in ganzer Fläche ausgebreitet, zu vollstem Eklat gebraucht. Die Mitte hebt sich dadurch auch koloristisch von dem übrigen heraus, an dem das Rot in bräunlichen und dunkleren Nüancen bis zum Violett hin abgetönt ist. Das Bild unter diesem Giebel (Taf. 7 und 8) ist kaum weniger regelmäßig komponiert. Der berittene Perser in der Mitte wird durch die drei nackten Kriegerfiguren wie mit einer oben nach beiden Seiten hin ausgebogenen Halbkreislinie umfaßt, an die sich in den beiden Seiten mit hochgestreckten Arm dargestellten Endfiguren jederseits eine den Abschluß sehr bestimmt markierende Senkrechte anlegt. Wenn im Kolorit die violetten Töne sich mehr ausbreiten als im Giebel, wo sie hinter dem Rot ganz zurücktreten, so erklärt sich das aus dem Gegenständlichen der Darstellung: für die persischen Gewänder war der Ton gewissermaßen gegeben, da er auch sonst in ihnen vorherrscht. Hier ist aber, und darin wird die Beziehung zu dem Kolorit des Giebels erkennbar, mehr Rot neben das Violett gestellt als in den übrigen Bildern des Sarkophagkastens, und zwar in der gleichen Abtönung der verschiedenartigen Nüancen, in denen die Rotskala im Giebel auftritt. In dem leuchtendem Ton, an der Pferdedecke des persischen Reiters angebracht, steht es auch hier in der Mitte der Komposition, und ebenso entspricht es der Farbvereilung im Giebel, daß das Blau in kleineren Flecken in der Mitte und den Flügeln angebracht ist; seine fast symmetrische Anordnung kam in der ursprünglichen Erhaltung der Malerei mehr zur Geltung als jetzt, wo es an den Figuren des rechten Flügels ganz verschwunden ist; es ist hier am Helm des griechischen Kriegers wohl sicher, am Gewand des Persers in dem Einsatzstreifen wahrscheinlich vorhanden gewesen.

 

            Ist auf dieser Schmalseite das Bild des Giebels dem darunter befindlichen Bilde im Sarkophagkasten gegenständlich und in der Erfindung überlegen, so treffen wir in den beiden Darstellungen der andern Schmalseite das umgekehrte Verhältnis an. Das Schlachtbild im Giebel (Taf. 13 und 14), wieder sehr regelmäßig mit Betonung der Mitte gruppiert, weist weder in der Komposition noch in den Einzelmotiven der Figuren irgend etwas Neues oder Eigenes auf; ganz aus traditionellen Typen zusammengesetzt, bleibt es in der Erfindung beträchtlich hinter allen übrigen Darstellungen des Sarkophags zurück. Damit übereinstimmend weist auch die Bemalung nichts Besonderes auf, sie macht in ihrer schablonenhaften, etwas bilderbogenmäßig wirkenden Buntheit den Eindruck des Abgeleiteten. Um so lebendiger erscheint das darunter stehende Bild der Pantherjagd (Taf. 15 und 16) mit der prachtvollen Gruppe des Dieners mit dem sich bäumenden Pferde und der bewegten Pantherszene daneben, das einzige Stück des Sarkophags, das nicht auf die Mitte komponiert ist, und zugleich das bunteste von allen. Wie hier das überall die Darstellung beherrschende Streben nach Schönheitswirkung in den Stellungen und Bewegungen der Figuren zu besonders reicher Entfaltung kommt, so ist auch die Bemalung auf ein im Wechsel feiner bunter Töne möglichst klangvolles Kolorit abgestimmt. Es hat seinen bezeichnenden Zug darin, daß Blau hier in erheblich weiterem Umfang als in den andern Reliefs verwendet ist, so daß es in dem farbigen Gesamtton des Bildes als die eigentliche Dominante wirkt. In dem Schilde des persischen Fürsten fast über die ganze Innenfläche ausgebreitet steht es als Hauptakzent gerade in der Mitte. Und so ist es auch zur Hervorhebung der Mittelfigur in den Giebeln übertragen.

 

Der Künstler des Sarkophags hat die plastische Ausführung des Bildwerks bis ins Letzte und Feinste zu Ende gebracht, bevor er den reichen Schmuckmantel der farbigen Tönung darüberlegte. Die Bemalung ist ihm aber nicht nur als reizvoller Schmuck und als Mittel zur Verdeutlichung und Steigerung der mit der Skulpturarbeit beabsichtigten Wirkung wesentlich gewesen. Er hat sich, einem immer geübten Brauche folgend, der Farbe zugleich und in ziemlich weitgehendem Maße zu dem Zwecke bedient, die Darstellung über das plastisch Ausgedrückte hinaus durch nur aufgemalte Details im kleinen zu ergänzen, zu bereichern und zu unterstützen. Auf den Schlachtbildern sieht man am Boden liegende Waffenstücke, Schilde, Helme und Lanzen, die lediglich in Malerei ausgeführt sind, ebenso ist die Lanze des berittenen Griechen Taf. 11 nur gemalt, an der des makedonischen Feldherrn Taf. 4 und das eines Persers Taf. 16 ging das gemalte obere Ende in ein aus Metall gearbeitetes angesetztes Schaftstück über. Ausgiebig ist die Farbe zur Hervorhebung der Wunden benutzt worden, überall strömt das Blut breit aus den Löchern und Schnitten der Wunden heraus, in dem großen Schlachtenbilde ist der Boden von dem Blut der Gefallenen gerötet; die Farbe ist hier vielfach auf den Rand des Bildes übergeflossen und – wie auch sonst an manchen Stellen bemerkbar – weit in die Adern der leicht gesprungenen Marmoroberfläche eingedrungen. Vor allem aber ist die gesamte dekorative Ausstattung der Waffen, Gewänder und des Reitzeugs der Pferde nur in Malerei ausgeführt. Mur einiges davon ist in der Farbe und den Einzelheiten der Zeichnung deutlich noch erkennbar, vieles und gerade sehr Wichtiges, nur in schwachen Spuren noch vorhanden, ist bisher unbemerkt geblieben und erst jetzt gelegentlich unserer Farbenaufnahme wiederentdeckt worden, so außer anderem namentlich der figürliche Schmuck der Schilde, an dessen Auffindung Edhem Bey großen Anteil gehabt hat. Da mit dem Verblassen der Farben von dieser ganzen gegenständlich wertvollen Darstellung im Laufe der Zeit nichts oder nur wenig übrigbleiben wird, werden wir eine genauere Beschreibung des heute noch Feststellbaren zur Ergänzung der von Reinach, Une nécropole royale S. 303ff. 327 darüber gemachten Angaben nicht unterlassen dürfen.

 

            Zum Unterschied von der einfacheren griechischen ist die so viel prächtigere und umständlichere persische Gewandung durch möglichst bunte Farbenzeichnung charakterisiert. Die Verzierung der Beinkleider mit Zackenreihen (Taf. 3, 16) oder Längsstreifen (Taf. 12, 15) wiederholt die schon aus altertümlichen Darstellungen der Barbarentracht bekannten Muster. Die Ärmelröcke der Perser haben ihren besonderen Schmuck in den verschiedenfarbigen Säumen und einem vorn und hinten durch die Mitte durchlaufenden Streifen, an dem mehrfach eine bunte Federmusterung (Taf. 2, 3, 7, 15), einmal (Taf.9) ein dreireihiges rotes Punktmuster erkennbar ist. Von den Mänteln der Perser ist am vollständigsten  der der linken Eckfigur auf dm kleinen Schlachtenbilde Taf. 7 gezeigt. Hier sieht man außer der gefütterten karierten Innenseite ein größeres Stück der andersfarbigen Außenseite mit den breitumsäumten Ärmeln und deinem Streifen Pelzbesatz, wie solcher auch an den Mänteln der Perser Taf. 1, 15, 16 bemerkt wird. An den meistern Figuren sind nur die Innenseiten und die Ärmel der Mäntel sichtbar. Das Zaumzeug der Pferde war überall in roter Farbe, der breite Brustgurt in hellem, meist gelben Ton mit roter Umränderung aufgemalt. Der rote Ton wiegt auch in den ebenfalls nur in Farbe, ohne Relieferhebung ausgeführten Schabracken vor,  die zumeist mit einem bunten Streifen, der einigemale (Taf. 4, 13, 15) ein spiralartiges Ziermuster trägt, und mit langen Zotteln umsäumt sind. Auf mehreren Decken ist ein eingewebter figürlicher Schmuck angebracht, jedesmal eine in Weiß mit etwas Blau auf rotem Grund ausgeführte heraldische Komposition gegenüber und hintereinander gestellter geflügelter Stiere. Die Wiederholung des Motivs an der Decke des persischen Vornehmen in dem kleineren Schlachtenbilde Taf. 8 und in der Pantherjagd Taf. 15 ist als Argument für die Annahme, daß in den beiden Figuren ein und dieselbe Person dargestellt sei, mitbenutzt worden (Reinach S. 313). Dasselbe Muster ist aber gleichartig auch an der Decke des makedonischen Feldherrn Taf. 2 verwendet. Zwei der Griechen, der Feldherr Taf. 4 und der hinter dem Perser Anreitende Taf. 10, haben statt der Decken Pantherfelle auf ihren Pferden, die Felle liegen breit um die Brust der Pferde herum und bedecken den Rücken in seiner ganzen Länge.

 

            Von den Helmen sind die am zahlreichsten vertretenen von der Form des einfachen runden Topfhelmes mit nach der Art der phrygischen Mütze umgebogenem Oberteil, durchweg blau mit gelbem Rand, also als Eisenhauben bezeichnet, die übrigen gelb. Auf einigen der Eisenhauben (Taf. 2 und 8) sind Spuren von aufgemalten Ranken zu erkennen. Ähnliches ist deutlicher auf dem am Boden liegenden, nur in Malerei ausgeführten Helm auf Taf. 13 sichtbar, der außerdem mit zwei großen hochstehenden Federn verziert ist, wie wir solchen Schmuck von den Darstellungen kampanischer Krieger, vereinzelt auch außer  von den bei Woelcke, Beiträge zur Geschichte des Tropaions S. 61 angeführten Beispielen aus den pergamenischen Waffenreliefs kennen (Altertümer von Pergamon II, Taf. 49, 2 S. 103). Plastisch gearbeitet und angesetzt, wie die davon herrührenden Befestigungslöcher zeigen, war derartiges, Federn oder Hörner, auch an den beiden mit Ranken verzierten Eisenhauben (Taf. 2 und 8) angebracht. Die beiden Feldherren im großen Schlachtenbilde Taf. 2 und 4 sind die einzigen, die die makedonische Kausia tragen; die des Alten auf Taf. 4 hat eine besondere Zier in einem aufgemalten Kranze, dessen lanzettförmige Blätter jetzt nur noch schwach, aber vollkommen deutlich durch den helleren Ton von der gelben Helmfläche sich absetzen.

 

            An den Panzern ist die Malerei dazu benutzt, die einzelnen Bestandteile und die Verschnürung deutlich zu machen. Aber auch Schmuckwerk der Art, wie es sich auch sonst in hellenistischen Panzerdarstellungen findet (vgl. Woelcke, Beiträge zur Geschichte des Tropaions S. 107, Anm. 160) ist in Farbe aufgesetzt: ein anscheinend langbärtiger, von strahlenförmig gesträubtem Haar umwallter Kopf, etwa eine Phobos- oder Boreasmaske, deckt in roten Linien ausgeführt das weiße Brustfeld auf dem Panzer des von links herandringenden Kriegers in der Mitte der Giebeldarstellung Taf. 5. Man muß das Vergrößerungsglas zu Hilfe nehmen, um die minutiöse Feinheit der höchst ausdrucksvollen völlig zu erkennen und zu würdigen. Von einer wohl ähnlichen Darstellung auf dem Panzer des zu Fuß kämpfenden Persers in dem andern Giebel Taf. 14 ist nur ein kleiner Rest herabwallenden Haares zurückgeblieben.

 

            Am reichsten mit aufgemalter Dekoration ausgestattet erscheinen die Schilde, sowohl die großen Rundschilde wie die zur eigentlichen perserischen Ausrüstung gehörigen Schilde der Peltaform mit dem halbkreisförmigen Einschnitt. Von letzteren ist nur einer mit der Außenseite gezeigt, er gehört dem toten Perser in der Mitte des großen Schlachtenbildes, der hinter dem knieenden Bogenschützen hingestreckt liegt (Taf. 3). Die leuchtend rot abgedeckte Fläche hebt sich gegen den umlaufenden weißen, mit rotem Zackenmuster besetzten Streifen ab, der außen von dem gelb bemalten Metallrand umschlossen wird; in der Mitte sieht man eine gelbe, in welligen Verschlingungen seitlich über das ganze rote Fels sich ausbreitende Verzierung, deren Bedeutung leider nicht mehr festzustellen ist. Die übrigen Perserschilde sind alle von innen gesehen dargestellt. Die im großen Schlachtenbilde (Taf. 2, 3, 4) haben einfach rotes oder violettes Futter, das bis dicht an den Rand der gelben Metallfläche heranreicht, dagegen tragen die auch in der Form und durch den breiteren gelbbraunen Rand etwas abweichenden des Giebelbildes Taf. 13 und 14 auf hier dunkelviolettem Grunde figürliche Darstellungen, die, von den Armen der Schildträger größtenteils verdeckt, freilich nur schwer erkennbar sind: auf dem einen Schilde (Taf. 13) ist eine in Vorderansicht gestellte Figur mit blauen Flügeln und anscheinend menschlichem Kopf, vielleicht eine Sirene, aufgemalt, auf dem andern (Taf. 14) ein Paar gegeneinander gewendeter  menschlicher Figuren. Man sieht oben die beiden Köpfe zur Hälfte, unten auf der größeren freien Fläche die Enden der kurzen Röcke und die in lebhaftem anschreiten weit auseinandergestellten Beine. Die Figuren sind mit dick aufgetragener gelber Farbe gemalt, die jetzt in einen schmutzigen Ton umgeschlagen ist.

 

            Die Rundschilde, schwach gewölbt mit abgesetztem Rand, erscheinen auf den Außenseiten durchgehend gelb gefärbt, in Nachahmung des Metalltones. Nach griechischem Brauch wären Schildzeichen zu erwarten. Auf den drei Stücken Taf. 2, 7 und 8 lassen die ungleichmäßigen Farbenflecken solche vermuten, aber es ist nichts Bestimmtes zu erkennen. Auf dem Schilde der Mittelfigur des Giebels Taf. 5, 6 dagegen ist ein aufgemaltes Bild in wenn auch nur schwachen Spuren vollkommen deutlich erhalten: eine große Frauenbüste in Vorderansicht, weiß mit langgelocktem, braunem Haar und einer zierlichen Halskette, ähnlich den Büsten, wie sie von griechischen Terrakotten bekannt und besonders gern und auf den apulischen Tongefäßen, hier in Rankenwerk eingefügt, als Halsschmuck verwendet worden sind. Der Kopf ist medaillonartig mit violetter Hintergrundfläche auf die Wölbung gesetzt, so daß von dieser noch ein breiterer gelber Streifen frei bleib. Ein solcher ist auch auf dem Schilde Taf. 8 mit scharfer Kontur abgesetzt sichtbar.

 

            Die Innenfläche der Rundschilde ist zumeist einfach behandelt. Gewöhnlich erscheint sie dunkelrot gefärbt, wobei mehrfach mit heller Deckfarbe die sonst plastisch ausgeführten Griffe und das Riemenwerk aufgetragen sind (Taf. 5 und 8). Reicher ist der Schild des persischen Vornehmen in dem Bilde der Pantherjagd Taf. 15 dekoriert mit einer Musterung in blauen, durch schmale rotweiße Zackenbänder getrennten Streifen, deren äußerer mit erhöht aufgesetzten, ehemals vielleicht vergoldeten Buckeln verziert ist. Aber auch dieser Schild steht noch zurück hinter dem Prunkschilde, den der links in dem Schlachtenbilde der einen Schmalseite dargestellte Perser Taf. 7 und 18 trägt. Hier ist die Innenfläche, ähnlich wie an den beiden persischen Schilden der einen Giebeldarstellung, mit einer figürlichen Malerei geschmückt, zu deren Anbringung an dieser Stelle dem Künstler wohl eher als aus den Gebrauchsschilden die Anregung aus dem ihm ohne Zweifel bekannten klassischen Beispiel gekommen sein mag, das die große Kunst in den Schilde der Parthenos des Phidias gegeben hatte. Die Wiedererkennung der dargestellten Szene war der überraschendste und wichtigste Fund, der sich bei dem genauen Aufnehmen der Farbreste nebenbei ergab; sie glückte erst nach vielem Suchen und konnte zu völligem Gelingen erst gebracht werden, nachdem Halil Bey auf die Übereinstimmung mit Darstellungen in erhaltenen persischen Reliefs aufmerksam gemacht hatte. Wir geben hierneben das am genausten entsprechende dieser Stücke, das die Mitte in dem obersten Bildstreifen des Reliefpfeilers aus dem sog. Thronsaal in Persepolis einnimmt, nach der Abbildung bei Texier, Description de l’Arménie, la Perse et la Mésopotamie II Taf. 114ter wieder; die Szene kommt gleichartig, nur in umgekehrter Richtung, auch auf dem Relief bei Texier Taf. 114 und bei Dieulafoy, L’art antique de la Perse, Teil 3 Taf. XIX vor. Mit Hilfe dieser Reliefs läßt sich das in der Schildfläche aufgemalte Bild, das auf unserer Tafel 18 in wirklicher Größe erscheint, aus den zum Teil nur ganz schwachen Spuren ohne Schwierigkeit wiederfinden. Am deutlichsten erhalten ist links von dem Arme des Schildhalters der Thron mit den gelb bemalten gedrehten Beinen, den Speichen dazwischen und dem Polstersitz; von der geraden aufgehenden Lehne glaubt man noch einen Schimmer zu erkennen. Von dem König auf dem throne sieht man die wesentlichsten Linien, das Profil des Gesichts, das schwarze, von der Tiara bedeckte Haupthaar, die beiden Konturlinien des schräg abstehenden langen Bartes; die dritte Linie dahinter gehört zum Gewand und gibt den Kontur der Brust. Ganz deutlich ist der erhoben vorgestreckte rechte Arm mit der Hand, die den hinter dem arm des Schildträgers verschwindenden Stab schräg vorgesetzt hält. Drei kleine Kreise auf dem Oberarm gehören zum Muster des Gewandes, das man weiterhin an dem Kontur der Beine und in den Schrägfalten unterhalb des Knies verfolgt. Die kleine Gestalt hinter dem Throne, die mit einem Wedel dem Könige Luft zufächelt, in der linken Hand ein Tuch bereit  hält, hat mit der entsprechenden Gestalt des Reliefs auch die spitze Haube gemein, abweichend ist nur die etwas einfachere Anordnung des Gewandes und die geringere Größe; infolge der runden Begrenzung des Bildes hat die Figur unten nicht hinreichend Platz gehabt, sie ist wie auf eine erhöhte Stufe gestellt und so selbst unverhältnismäßig klein geworden. Rechts ist, wie auf den Reliefs, der in devoter Haltung heranreitende Beamte dargestellt, in kurzem Rock, mit der Mütze auf dem Kopf. Die vorgesteckten Hände verschwinden hinter dem Arme des Schildträgers, der von dem Inhalte der durch die Reliefs überlieferten Vorlage vollständig nur die zwei Räuchergefäße, also nichts Wesentliches, verbirgt. In den Reliefs ist die Darstellung rechts und links durch nebensächliche Figuren, Krieger und Diener, erweitert, die Hauptszene aber unter eine Art Baldachin gestellt. Auch dieser scheint in dem Schildbilde wiedergegeben worden zu sein, hier ist die Zeichnung aber nicht ganz verständlich. Es sieht auf den ersten Blick mehr so aus, als wäre das Bild auf einer viereckigen Tafel in die das Dekorationsfeld umgrenzende Kreislinie eingespannt. Dann könnte aber die untere Linie der Tafel nicht fehlen und fände der von der Hand des Schildträgers größtenteils verdeckte, gelb mit blauer Umränderung gemalte längliche Gegenstand keine Erklärung, der zu beiden Seiten hin aufgerollte, also nach orientalischer Art gebildete Voluten endigt und durch braune Striche mit der oberen Horizontale des Bildes verbunden ist; damit wird wohl die in den Reliefs am Baldachin angebrachte Sonnenscheibe, unverstanden wiedergegeben, gemeint sein. In der Art, wie das Bild auf der mit einem leicht rötlichen Weiß einheitlich abgedeckten Fläche zum Teil in brauner und grauer Linienzeichnung, zum Teil in bunter Tönung ausgeführt ist, erinnert es an die Technik der weißgrundigen attischen Lekythen. Auch der Schildrand hat den gleichen hellen Überzug und darauf eine in ganz feinen, abwechselnd blauen und rotbraunen Linien gezeichnete Rautendekoration erhalten, von der nur ein kleines Stück oberhalb des Kopfes des Schildträgers vollständig erhalten ist.

 

            Die Darstellung auf dem Schilde erweist sich als Kopie nach einem persischen Bildwerk. Der Künstler muß in Athen Gelegenheit gehabt haben, ein solches im Original zu sehen und zu benutzen, oder, was wohl das weniger Wahrscheinliche ist, er hat aus einem in Persien selbst nach dortigen Vorbildern gearbeiteten griechischen Werke geschöpft. Etwas Gleiches haben wir bisher aus der griechischen Kunst nicht gekannt. Es geht über das hinaus, was im übrigen von persischen Details in dem Sarkophage angebracht ist, reichlich im Bildwerk, wo die Perserfiguren überwiegen, in leichtem andeutendem Spiel in der ornamentalen Dekoration mit den „Tragelaphoi“ an der Sima und den heraldisch gruppierten sof. Löwengreifen im Mittelakroter des Giebels. Zwischen diesen der damaligen griechischen Kunst allgemein geläufig gewordenen und frei behandelten Elementen, durch deren Verwendung das Ganze etwas von, wie Reinach S. 277 es ausdrückt, goût un peu oriental erhalten hat, steht das Schildbild als eine Pikanterie, wie um dem Ganzen der Perserdarstellung den Anschein der Echtheit zu geben, und nimmt sich in seiner Umgebung um so auffälliger aus, als der Künstler sonst gerade in allem eine nur wenig sichere Kenntnis des Persischen zeigt und in der Verwendung der Formen recht ungenau ist. Gleich die Art, wie das Bild angebracht ist, ist sehr bezeichnend: es steht auf einem griechischen Rundschild. Eine derartige Vermengung der griechischen und persischen Ausrüstung begegnet mehrfach in den Reliefs. Noch ein zweiter Perser Taf. 15 ist mit einem Schilde dieser Form, ein anderer Taf. 14 mit einem griechischen Panzer ausgestattet und umgekehrt sehen wir den makedonischen Feldherrn in der Mitte des Schlachtenbildes Taf. 2 auf persischer Schabracke reiten. Andere unterscheidende Einzelheiten sind genauer wiedergegeben, an den persischen Pferden ist die Mähne über der Stirn in einen Schopf hochgebunden, an den griechischen frei herabliegend dargestellt; die gelben Persermützen, die bunten Schuhe, die gemusterten Beinkleider, die Ärmelröcke und Mäntel, das Wesentliche vom Kostüm der Perser war dem Künstler bekannt, aber diese Röcke, mit übergürtetem Überschlag, haben einen Schnitt wie die Chitone, die die Reiter auf dem Parthenonfriese tragen; es sind Perserröcke sozusagen in griechischer Übersetzung, wie sich ihre Träger in der ganzen Erscheinung ihrer Gestalten und feingeschnittenen Gesichter als Perser in griechischer Übersetzung darstellen. In denselben Röcken mit Ärmeln aber sind Alexander und die andern beiden Reiterführer hinter den Perserfürsten in dem Bilde der Löwenjagd dargestellt, nur daß hier zur Unterscheidung der bunte Streifenbesatz der Perserröcke fortgelassen ist. Gewiß entspricht das nicht der Wirklichkeit. Die Perserröcke, wie wir sie aus Darstellungen persischer Reliefs kennen, wie auch ein Blick auf das Alexandermosaik zeigt, sahen anders aus, und daß der Ärmelrock ein so gebräuchliches Kleidungsstück der makedonischen Vornehmen gewesen wäre, werden wir dem Bilde des Sarkophags schwerlich glauben wollen, wenn er auch für Alexander selbst, aber nur für diesen, durch das Mosaik sicher bezeugt ist.

 

            Die Perser auf dem Sarkophage erscheinen in den Schlachtenbildern nicht anders als in den Jagdszenen. Einige halten Schilde, alle haben Schwerter, Speere, Bogen in den Händen, aber keiner trägt ein Schwer umgegürtet und keiner hat einen Panzer angelegt, mit Ausnahme des einen unpassend mit griechischem Harnisch ausgestatteten im
Giebelbilde Taf. 14. So mangelhaft gerüstet sind die Perser nicht in den Kampf gezogen. Wie ihre Bewaffnung war, erfahren wir auf dem Mosaik, wo wir sie in ihren Panzern sehen, die von denen der Griechen bestimmt verschieden sind. Noch mehr hat sich der Künstler des Sarkophags über das sachlich Gegebene in der Wiedergabe der Griechen hinweggesetzt. In ihren Reihen erscheinen neben den Vollgerüsteten nackte, heroenhaft aussehende Idealgestalten, die aus mythologischen Darstellungen in diese dem Thema nach doch historisch gemeinten Szenen übertragen scheinen. Wenn mehrere Figuren,  am deutlichsten die beiden makedonischen Führer des großen Schlachtenbildes Taf. 2 und 4, porträthaft gebildet sind, so spricht nut zu deutlich die Absicht daraus hervor, die sich ähnlich in der Anbringung des persischen Schildbildchens verrät,  die Darstellungen damit gewissermaßen als Bilder der Zeit zu legitimieren, ihnen den Anschein der Wirklichkeit zu geben, die durch das Thema gefordert war, die aber das Bildwerk im ganzen gerade nicht hat. Ihren wahren Charakter zeigt diese Schilderung viel weniger in jenen beiden porträthaft dargestellten makedonischen Feldherren, als in der dritten Hauptfigur derselben Szene Taf. 1, in der Alexander in reinem Idealbilde wiedergegeben ist, wo wenig seinem wirklichen Aussehen entsprechend, daß die ja allein mögliche Deutung aus ikonographischen Gründen, aber freilich nut unter Verkennung der besonderen Eigenart dieses Werkes, sogar hat in Zweifel gezogen werden können. Es ist ein Phantasie-Alexander nicht nur als Bildnis, sondern auch in der Art, wie er handelnd gezeigt ist, mit dem Löwenschmuck auf dem Haupte, völlig ungerüstet, in schwungvoller Attitude auf seinem wie in Parade hochsteigenden Pferde gegen seinen Gegner die Lanze erhebend, der seinerseits, wie er den Arm mit dem Schwerte hochhält, eine in schönstem Rhythmus schwingende Haltung einnimmt, aber die ungeschützte Brust in voller Breite dem Feinde darbietet.  Dem steht auf dem Mosaik ein Alexander gegenüber, wie er wirklich seine Schlachten geschlagen hat, charakteristisch in der Erscheinung und im Handeln. Die Gruppe hier mit dem König, der auf galoppierendem Pferde heranstürmend die ungeheure Lanze mit wuchtiger Kraft vorstößt, und dem Perser, der im Moment das Schwert noch ziehen wollte -  es ist halb gezogen in der Scheide geblieben – und nun mit der Hand die feindliche Lanze umklammert, die ihn durchbohrt, ist im Typus der des Sarkophags ganz ähnlich, in der Ausführung so verschieden wie möglich. Sie schildert den Vorgang mit einer wahren Terribilatà der Sachlichkeit so, wie er wirklich sich zugetragen haben müßte, in der Gruppe des Sarkophags tritt der Vorgang selbst hinter dem rhythmischen Aufbau der Komposition zurück. Beide Künstler haben für diese Gruppe in früherer Kunst schon ausgebildete Motive wieder benutzt. Der des Mosaiks hat in selbständigem Weiterschaffen ein Neues daraus gestaltet, indem er die Darstellung aus den Bedingungen und der Idee des zu Grunde gelegten Themas heraus charakteristisch und sachlich entwickelte. Die Figur des gestürzten Persers auf dem Sarkophag dagegen schließt sich wie ein letztes Glied unmittelbar an die Typenreihe der vom Pferd absteigende Amazone an, deren traditionelle Ausbildung wie in den von Benndorf (Das Heroon von Giölbaschi-Trysa S. 138ff.) zusammengestellten Beispielen verfolgen. Hier ist den überkommenen Motiven mit der Übertragung auf den neuen Stoff nicht neues Leben gegeben, sondern das Überlieferte nur formal zu gesteigerter Schönheit in dekorativem Sinne weitergebildet.

 

            Noch eine zweite Gruppe, die des Persers, der ein sich bäumendes Pferd am Zügel hält, finden wir in den beiden Werken fast gleichartig wieder. Sie erscheint auf dem Sarkophag, in der linken Hälfte des Pantherjagdbildes (Taf. 15), der hier im Relief durchaus eingehaltenen Kompositionsweise gemäß, in der Längsrichtung dargestellt. Auf dem Mosaik steht die entsprechende Gruppe der Mitte, vor dem Wagen des Darius; das Pferd ist in voller Verkürzung gezeichnet, mit der Richtung in die Bildebene hinein. Dadurch hat sich der Künstler der Wirkung des reizvollen Linienspieles, das in der Reliefgruppe zur Entfaltung seiner ganzen Schönheit gebracht ist, völlig begeben. Derartige Kunstmittel, die in den Bildern des Sarkophags in reichster und feinster Ausbildung als herrschende und die gesamte Darstellung eigentlich bestimmende Elemente wirksam sind, kamen für den Künstler, der das Vorbild des Mosaiks geschaffen hat, gar nicht in Betracht. Ihm war das Charakteristische alles. Er gewann durch die Querstellung der Gruppe einen gerade in der Mitte des Bildes gegen die von links her in breiter Längsentwicklung herandrängenden Massen sich vorlegenden Damm und zugleich, indem er den Führer des Pferdes in die Tiefe der Fläche hineindrückte, für diesen den engsten äußeren Zusammenhang mit dem Darius, wodurch die Bedeutung der Figur, die hier nicht wie in dem Sarkophagbilde ein Diener ist, zum Ausdruck kam. Die Gruppe, auf dem Sarkophag ein schönes Beiwerk, ist auf dem Mosaik ein wesentliches, in dem geschilderten Vorgang bedeutsam mitwirkendes Glied des Ganzen. Wieder lag das Motiv der Gruppe schon bildlich ausgestaltet vor, in dem berühmten sich bäumenden Pferde mit dem Lenker auf dem Gemälde des Apelles. Die Beschreibung bei Dio Chrysostomos (Orat. 63, 4, Overbeck, Schriftqu. 1889) liest sich wie eine Beschreibung der Gruppe auf dem Sarkophage, auf die des Mosaiks wäre sie nicht in allen Zügen anwendbar. Auch hier zeigt sich die gleiche Verschiedenheit in dem Verhältnis zur Tradition: der Künstler des Sarkophags setzt die Tradition fort, der Schöpfer des dem Mosaik zu Grunde liegenden Gemäldes schafft selbstständig neubildend in ihr weiter.

 

            Je weiter man in die Vergleichung des Sarkophags mit dem in dem Mosaik kopierten Gemälde eingeht, um so mehr treten die in allem und jedem bestehenden Unterschiede hervor und um so deutlicher gibt sich die Eigenart eines jeden dieser beiden Werke zu erkennen, die beide in ihrer Art Höchstleistungen und gleicherweise aus der Bewegung, die in Alexanders Auftreten in die Kunst brachte, hervorgegangen in ein und derselben Epoche entstanden sind. Diese Unterschiede finden aus der Besonderheit der Aufgabe mit ihren für die dekorative Arbeit des Sarkophags und die soviel freiere Arbeit des Gemäldes abweichenden Bedingungen und Absichten nur zum Teil ihre Erklärung. Es spricht aus ihnen eine völlig verschiedene Auffassung, deutlich aber auch ein anders geartetes äußeres Verhältnis der Künstler zu den Dingen selbst, die sie schilderten, und der hierin beruhende Unterschied muß mehr oder weniger auffällig und unverhüllt in all den vielen Werken zu Tag getreten sein, in denen das neue Thema der Alexanderdarstellung in jener Zeit behandelt war. Die Künstler, die an die Begebenheiten selbst herankamen, - und deren waren gewiß mehr als gerade nut die drei auserwählten, die Alexander durch das Privileg der offiziellen Darstellung seines Bildnisses ausgezeichnet hatte – konnten aus der lebendigen Fülle unmittelbarer großer Eindrücke schaffen, und da, was sie sahen und miterlebten, war derart, daß es für jeden solchen Eindrücken innerlich gewachsenen Künstler den höchsten Reiz durch seine volle Wirklichkeit haben, daher zu wahrhaftiger und sachlicher Wiedergabe drängen mußte, die auch da wahrhaftig bleiben konnte und erst im höchsten Sinne charakteristisch wurde, wo die Darstellung über die sozusagen bildliche Berichterstattung der einzelnen Geschehnisse hinaus die höchsten Momente der Vorgänge in eine große Einheit zusammenfaßte. Auf dieser Seite steht das Alexandermosaik. Aber mächtig wirkten die Ereignisse auch auf die Fernerstehenden. Sie gaben die Anregung zu Schilderungen, die ohne eigenes Erleben aus freier Erfindung entstanden. Das Thema war allgemein aufgenommen; manchen Künstler mag es auch von außen her zugebracht sein, wie Aristoteles dem Maler Protogenes den Rat gab, er solle die Taten Alexanders malen propter aeternitatem rerum. Wer so ohne persönliches Verhältnis zu dem Stoffe diese Dinge darzustellen unternahm, dem konnte der Stoff selbst kaum zu einem großen neuen Gestalten schöpferisch werden. So war es bei dem Künstler des Sarkophags, der das Thema der Darstellungen schwerlich selbst wählt, sondern vermutlich mit dem Auftrage vorgeschrieben erhalten hat, mit Beziehungen auf die Person und das Leben des uns leider unbekannt bleibenden Mannes, dem der Prunksarg als letzte Ruhestätte zugedacht war. Hier hat der neue Stoff ein nur gegenständlich, nicht der Erfindung und der Art nach Neues hervorgerufen. Das Thema hat den Künstler zu der reichsten Entfaltung seiner Mittel angeregt, aber er hat es auf die ihm geläufige und gewohnte Darstellungsweise übertragen, die in der verfeinerten Ausgestaltung traditionell überkommener Formen und Motive ihr Ziel hatte, und so ist eine Schilderung entstanden, in der die wirklichen Begebenheiten im Idealbild kunstmäßig ausgebildeter Schönheitstypen erscheinen. Der Sarkophag ist durchaus rückwärts orientiert, das Bild des Mosaiks dagegen weist nach vorwärts, es kündigt eine Entwicklung an, die in der weiteren Folge in den Galliermonumenten einen Höhepunkt erreicht hat.

 

            In den beiden Werken, in denen Gegensätze der Auffassung in deiner Schärfe ausgeprägt sind, wie sie nur in Übergangszeiten der künstlerischen Entwicklung möglich und denkbar erscheinen, sind nun zugleich zwei voneinander verschiedne Richtungen der koloristischen Behandlung vertreten, das buntfarbige Schönkolorit und das Vierfarbenkolorit, über deren Ausbildung in der griechischen Malerei des fünften und vierten Jahrhunderts in der Publikation des Alexandermosaiks S. 2-4 ausführlicher gehandelt worden ist. Die verschiedenartige  Wirkung, die in einem Wesentlichsten darauf beruht, daß in dem Buntkolorit Blau, in dem Vierfarbenkolorit Schwarz als dunkler und für die Mischtöne bestimmender Grundton gebraucht ist, kommt in dem Farbenbilde des Sarkophags und des Mosaiks besonders stark und deutlich zum Ausdruck. Nicht weniger aber drängt sich die Verschiedenheit der malerischen Behandlung auf und bringt die Schranken in mahnende Erinnerung, die in dem Falle, in dem es sich einerseits um bemalte Skulptur, anderseits um die Wiedergabe eines Gemäldes handelt, der unmittelbaren Vergleichung gezogen sind. Der Unterschied erscheint indessen zunächst größter, al er in Wirklichkeit ist. Schon bei der Beschreibung der erhaltenen Farben des Sarkophags und der Art ihres Auftragens ist hervorgehoben worden, daß an einzelnen Stellen Glanzlichter aufgesetzt sind. Dieses Detail ist nur ein, aber vielleicht das auffälligste Merkmal dafür, wie mit der im vierten Jahrhundert einsetzenden Ausbildung eines malerischen Stils in der Plastik die Polychromie in gleicher Richtung fortgeschritten ist. Es war eine Entwicklung, die sich allmählich vollzogen hat und die wir am besten aus dem für das vierte Jahrhundert bezeugen Schaffen großer Meister verstehen, die auf den beiden Gebieten der Malerei und der Skulpturenbemalung zugleich hervorragend tätig gewesen sind. Einen Hauptanteil an ihr werden wir keinem andern mit größerer Wahrscheinlichkeit zuschreiben dürften als Nikias, dem berühmten Maler, dessen Mitarbeiterschaft Praxiteles gesucht und so hoch bewertet hat, daß er, wie es bei Plinius XXV 133 heißt, diejenigen seiner Marmorwerke selbst als die besten erklärte, an denen Nikias die Bemalung hinzugefügt harre. Den malerischen Reizen der praxitelischen Plastik konnte nur eine Bemalung gereicht werden, die selbst gleiche malerische Feinheiten entfaltete. Der Alexandersarkophag ist aus der an Praxiteles anschließenden attischen Kunst hervorgegangen, und was ihm an graziöser und in höchster Eleganz vollendeter Marmorarbeit geleistet ist, hat die glänzende Meisterschaft der praxitelischen Marmorkunst zur Voraussetzung. So ist anzunehmen, daß uns auch seine Bemalung der Polychromie der praxitelischen Marmorwerke, von der uns an der Statue des olympischen Hermes nur ganz winzige Spuren von Rot am Haar und an den Sandalen und ein geringer Rest von Gold zurückgeblieben sind, ganz nahe bringt. Damit eröffnet sich ein Zusammenhang, in dem nun die am Sarkophag beobachtete malerische Finesse der Anbringung des Glanzlichtes an den Augen erst ihre volle Bedeutung gewinnt. Wie in allem der Künstler des Sarkophags nicht als schöpferischer Neuerer, sondern als vorzüglicher Bewahrer eines reichen Erbes erscheint, so gibt er sicherlich auch in diesem Zuge, der eine künstlerische Errungenschaft hohen Ranges vorstellt, nicht sein Eigenes. Und mit einem Schlage klärt sich nun auf, wie die in letzter Zeit viel erörterte Wiedergabe des feuchten Glanzes der Augen zu verstehen ist, die man an der knidischen Aphrodite des Praxiteles bewunderte (Lucian, Images 6 (…)).

 

            Von dem Stande der Malerei zur Zeit des Übergangs zum Hellenismus, gegen Ende des vierten Jahrhunderts, gibt das Alexandermosaik vollgültiges Zeugnis. Die polychrome Ausführung des Sarkophags steht in ihrer Art auf der gleichen Stufe. Sehr bezeichnend dafür ist die entsprechende Behandlung des Grundes der Bildfläche. Die in der archaischen Plastik und noch im fünften Jahrhundert, wie es scheint, im Relief durchaus üblich gewesene farbige Abdeckung der Grundfläche mit Blau oder Rot ist aufgegeben. Der Grund ist unbemalt gelassen und bildet so im weißen Marmorton nur mehr eine neutrale Fläche hinter der figürlichen Darstellung, die nun, allein und voller und reicher bemalt als in der älteren Zeit, nicht nur für sich lebhafter und stärker zur Geltung kommt, sondern durch die Bemalung auch geschlossener zusammengefaßt wird. Diese Wandlung hat sich, soweit die nur vereinzelten Zeugnisse erhaltener Denkmäler hierüber gewisse Aufschlüsse verstatten, in der Plastik innerhalb des vierten Jahrhunderts vollzogen. Während der noch dem fünften Jahrhundert angehörige lykische Sarkophag, des Konstantinopler Museums (Antike Denkmäler des Instituts III 1912 Taf. 10) noch die alte Polychromie mit blauem Grunde zeigt, tritt die neue Weise der Behandlung für uns zum ersten Male in dem Sarkophag der Klagefrauen (ebenda Taf. 11) in Erscheinung, aber auch hier noch wie in der Form eines Versuchs, in dem Hauptbildwerk noch nicht mit Entschiedenheit, sondern nur in den kleineren Darstellungen im Giebel und im oberen Aufsatz des Deckels ganz durchgeführt. Die Amazonenfriese des Mausoleums von Halikarnaß, die nach Newtons Angabe blaugefärbten Grund gehabt haben, zeigen, daß auch damals noch die alte Tradition wenigstens für den dekorativen Bildschmuck der großen Architektur festgehalten ist, dessen Bemalung freilich an die Polychromie der umgebenden Bauglieder gebunden war. In den Sarkophagen, die zwar architektonisch gestaltet sind, an denen aber die Architektur nur den Rahmen für den hier überwiegenden Bildschmuck bildet, konnte die Neuerung rascher und leichter Eingang finden, die, von der fortgeschrittenen Malerei angeregt, darauf hinstrebte, das Relief dem koloristischen Eindruck nach dem Gemälde wieder anzunähern. Wie diese Annäherung im Laufe der Entwicklung vollständig geworden ist, zeigt der Alexandersarkophag. Dächte man sich einmal sein Relief in reine Malerei übertragen, dabei der Stufe der Kunst gemäß die lediglich durch die Plastik bedinge Art der farbigen Ausführung entsprechend verändert, so vor allem die im Relief durch die Körperlichkeit der Figuren, durch die Höhen und Tiefen der Modellierung hervorgebrachten Schatten- und Zwischentöne durch die Farbe wiedergegeben, so würde man ein Bild gewinnen, das zwar nicht in der vollen Durchführung und Wirkung, wohl aber im Prinzip der malerischen Behandlung mit dem Mosaik zusammenstimmen würde. Und diese in der Phantasie ohne Schwierigkeit vorstellbare Bild würde uns - mit der Einschränkung, die der dekorative Charakter des Sarkophags fordert – eine deutliche Anschauung davon vermitteln können, wie neben der Malerei der Vierfarbentechnik, deren, wie es scheint, letzte und höchste Ausbildung wir durch das Mosaik kennen lernen, die nicht in den Mitteln, sondern in der Wahl der Farben, in der koloristischen Absicht und Auffassung von dieser verschiedene Malerei der Buntrichtung auf der gleichen Stufe ausgesehen haben mag. So wirft der Sarkophag über alle reiche Fülle wertvollster Erkenntnis, die wir unmittelbar aus ihm schöpfen, hinaus ein aufklärendes Licht auf dasjenige Gebiet des griechischen Kunstschaffens, das wie kein anderes für uns im Dunkel liegt.

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